Raus aus dem Verein
Webghul 30. Juni 2022
Mondzeit: 30.06.2022
Es ist schon eine Weile her, dass ich gezeugt wurde. Nicht ganz so lange ist der Zusammenbruch der Domäne her und so streune ich eher ortsansässig, aber ohne Domäne in meiner Gegend herum, bemüht mich an die Regeln der Camarilla zu halten. Bemüht heißt genau das, was es heißt, es gelingt nicht immer, aber immer gut genug, nicht enttarnt zu werden. Immerhin konnte ich mir einen Ghul aneignen, der geistig sehr stabil ist und fest im Leben steht und mit meinen Eigenarten sehr gut klar kommt.
Achja, der Zusammenbruch der Domäne. Bitterernst, aber auch irgendwie lustig. Der Prinz war vom Sabbat ausgetauscht worden, eine wirklich gute Tzimisce-Arbeit, das muss man bewundern und anerkennen. Ich habe ja den leisen Verdacht, dass dieser verdammte Einhornfresser damit zu tun hatte. Er hatte jedenfalls die größenwahnsinnige Anwandlung, Prinz an Stelle des Prinzen zu werden. Stattdessen aber verfiel die Domäne, ihre Mitglieder ließen sich irgendwann einfach nicht mehr blicken. Also eigentlich kamen sie schon nach dem letzten Treffen nicht mehr, jeder ging seine Wege oder schloss sich einer anderen Domäne an.
Ich machte es mir mit meinem Ghul gemütlich, nach außen hin sahen wir aus wie ein gewöhnliches Ehepaar. Naja, fast gewöhnlich, mich sah man tagsüber ja nie. Wer weiß, vielleicht schaffe ich es eines Tages die Sonne zu ignorieren. Sogar zwei Hobbies betreiben wir gemeinsam. Ach nee, jetzt ist es nur noch ein Hobby. Das andere hatte ich aufgegeben, das hat übrigens was mit einer Toreador, einer Ventrue und eben jenem Tremere zu tun. Und meine Clansschwäche spielt eine nicht unerhebliche Rolle in dieser kleinen Posse. Clansschwäche, das Thema, was alle Kainiten mehr oder weniger beschäftigt. Bei Malkavian, das ist bekannt, ist die geistige Gesundheit gemeint. Das muss nicht zwingend bedeuten, dass man irgendeinen Knall hat, der einem das Alltagsleben verunmöglicht, es kann auch einfach eine Überempfindlichkeit sein. So wie bei mir, ich bin leider sehr empathisch. Nehme die Stimmungen meines Gegenübers zu stark wahr und kann dann damit nicht umgehen. Ein bisschen so wie diese Beta-Dinges aus Raumschiff Enterprise. Es kann hilfreich sein wenn man z.B. abschätzen muss, ob das Gegenüber einem wohlgesonnen ist oder nicht, aber es kann einem das Unleben auch echt erschweren. Ich hatte ja schon angedeutet, dass wir zwei Hobbies hatten, also eigentlich waren es mehr, aber die waren nie zur gleichen Zeit. Jetzt geht es um eines der Hobbies. Wir waren Mitglieder eines Vereins. Vampir und Vereinsmitglied, absurder wird es kaum, aber wahr. Muss ja, ich sag nur Maskerade. Man muss nur schauen, dass die Aktivitäten des Vereins nicht tagsüber stattfinden oder in Räumlichkeiten ohne Tageslicht. Klar, im Sommer ist es nicht ganz so einfach, da wollen sich die menschlichen Vereinsmitglieder auch mal im Freien treffen, aber da verspätet man sich einfach und erscheint nach Sonnenuntergang. Alles machbar. Ich war nicht die einzige Kainitin in diesem Verein, es gab da noch eine Toreador. Toreador, das sind die, die wenn sie irgendwas schön finden, nicht davon lassen können. Diese spezielle Toreador fand sich selber schön, ihr Unleben, ihre Makel, ihre endlosen Monolge und ihre Kostümierungen. Wenn wir aufeinander trafen, hielt sie zumeist ihre endlosen Monologe, gerne über ihre Makel. Es war meistens echt krass schwierig in Dialog mit ihr zu treten. Ihr Gequatsche kann man direkt als manisch bezeichnen. Und wehe man unterbrach sie und äußerte Möglichkeiten, wie das eine oder andere Makel von ihr positiv verändert werden könnte. Dann wurde sie so aggressiv, als wäre sie von einem Brujah trainiert worden. Also natürlich nicht körperlich aggressiv, aber ihr Gequatsche wandelte sich dann in schrilles Gekeife. Der Umgang mit ihr war anstrengend, vor allem mit meiner Empathie. Ich konnte ihre Ausbrüche einfach nicht angemessen ausfiltern. Mit Wesen umzugehen, die nur auf sich bedacht sind, sind generell anstrengend. Auch hatte ich irgendwann keine Lust mehr, ihren endlosen Monologen zuzuhören. Es war eines der Bausteinchen, der den Austritt aus diesem Verein erklärt. Ein paar Jahre, ich meine es waren ca. drei Jahre vor dem Austritt, wurde auch eine Ventrue Mitglied des Vereines. Sie glänzte in der Regel durch Abwesenheit und durch Inaktivität. Das änderte sich schlagartig und das zeichnet wohl ein Mitglied des Clans der Ventrue aus, als der Posten des Vizepräsident – der Vizepräsidentin frei wurde. Sofort und obwohl es eigentlich bisher so aussah, als hätte sie mit dem Verein nichts zu tun, stellte sie sich der Wahl. Natürlich wurde sie gewählt, wofür sonst ist die Disziplin Präsenz gut? Da ahnte ich schon, dass meine Zeit in diesem Verein gezählt war. Der letzte Tropfen, der den Blutkelch zum Überlaufen brachte, war der Moment als ich die Ventrue zusammen mit dem bereits erwähnten Einhornfresser sah. Schlimm genug, dass die beiden in Kontakt standen, sie hatte ihn sogar in den Verein eingeladen. Das war für mich das letzte Vereinstreffen, mein Ghul, der übrigens bis dahin Vereinspräsident war, und ich traten aus dem Verein aus.
Man will ja geistig gesund bleiben, gelle?
p.s.
Würde sich der erwähnte Einhornfresser (Tremere) vor einen Seelenspiegel stellen und sein Innerstes wäre zu sehen, würde so mancher Nosferatu sich wunderschön finden.
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